Das Zürcher Seebecken bietet ideale Voraussetzungen für Seewasserverbunde. Da sich viele Immobilien mit Heiz- und Kühlbedarf auf kleinem Raum befinden, sind für die Erschliessung der seenahen Quartiere lediglich kurze Leitungen erforderlich. Seit dem Jahr 2003 haben wir rund um das Zürcher Seebecken die Verbunde Escherwiese, Fraumünster und Falkenstrasse in Betrieb genommen. Der Wärmeverbund Seefeld befindet sich in der Realisierung und mit den Verbunden CoolCity und Enge werden weitere Grossprojekte umgesetzt. So versorgen wir zahlreiche Gebäude um das Zürcher Seebecken nachhaltig und wirtschaftlich mit Wärme und Kälte. Unter anderem das Stadthaus Zürich, das Kongresshaus, das Hotel Park Hyatt, die Gebäude der NZZ sowie diverse Büro- und Wohngebäude. Die angeschlossenen Objekte werden in Energieverbunden vernetzt, die so angelegt sind, dass weitere Objekte angeschlossen und Teilgebiete erschlossen werden können.
Die Nutzung von Seewasser ist ökologisch unbedenklich und aus verschiedenen Gründen nachhaltig. Die Energie wird regional produziert und vor Ort innerhalb des Energieverbunds verbraucht. Lange Transportwege für fossile Primärenergieträger wie Öl oder Gas sind unnötig. Ersetzt ein Wärmeverbund mit See- oder Flusswasser eine fossile Heizung, lassen sich die CO₂-Emissionen durchschnittlich um ca. 90 Prozent senken. Dem Gewässer wird kein Wasser, sondern lediglich Wärme bis etwa 3 Kelvin entzogen respektive zugeführt. Die im See gespeicherte Wärmeenergie – im Winter auch bei tiefen Temperaturen um 5 Grad – wird mithilfe effizienter Wärmepumpen nutzbar gemacht. Die Wärmeentnahme ist im Verhältnis zum Volumen des ganzen Sees so klein, dass kaum eine Beeinflussung stattfindet.
Das eidgenössische Wasserforschungsinstitut Eawag hat die Auswirkungen von Seewasser-Anlagen auf das Ökosystem untersucht. Dabei kommen die Expert*innen zum Schluss, dass im Allgemeinen eine geringe Abkühlung eines Gewässers durch einen Heizbetrieb im Winter die Ökosysteme nicht beeinträchtigt. Selbst wenn die Wassertemperatur leicht sinken würde, wäre dies ökologisch unbedenklich und würde der Klimaerwärmung sogar entgegenwirken.
Angeschlossene Liegenschaften werden über Leitungen von der Zentrale aus mit Wärme und Kälte versorgt oder verfügen über eine eigene Heizzentrale. Das Seewasser wird mit einem Seiher gefasst und mithilfe von Pumpen in die Seewasserzentrale transportiert. Im Winter entziehen wir dem in einem Primärkreislauf zirkulierenden Wasser über einen Wärmetauscher Wärme und nutzen sie als Energiequelle für die Wärmepumpe. Diese hebt das Trägermedium auf das erforderliche Temperaturniveau (etwa 40 bis 65 °C). Über einen Sekundärkreislauf erfolgt die Verteilung in den Gebäuden. Im Sommer funktioniert das System umgekehrt: Das Seewasser kann mithilfe von Freecooling anstelle von strombetriebenen Klimaanlagen direkt zur Raumkühlung eingesetzt werden. Am Ende führen wir das entnommene Seewasser chemisch unverändert rund 150 Meter vom Ufer entfernt wieder in den See und der Kreislauf beginnt von vorn.
Um die Klimaziele der Schweiz einzuhalten und die CO₂-Emissionen zu senken, müssen fossile Brennstoffe künftig durch erneuerbare ersetzt werden. In Schweizer Gewässern schlummert viel ungenutzte thermische Energie, mit der sich Gebäude in See- oder Flussnähe kühlen oder heizen lassen. Diese Energie kann einen beträchtlichen Beitrag zur Deckung des Energieverbrauchs in der Schweiz leisten – ohne die Umwelt zu schädigen. Bisher wurde die thermische Energie aus Seen und Flüssen wenig genutzt, obschon sie sich aufgrund der gewässernahen Lage vieler Städte in der Schweiz gut zum Heizen und Kühlen eignet, die Technik gut bekannt ist und sich der CO₂-Ausstoss markant reduzieren lässt.
Eine vom Wasserforschungsinstitut Eawag durchgeführte und vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterstützte Untersuchung zeigt, dass die Potenziale der Hauptseen und Flüsse der Schweiz «bemerkenswert hoch sind, oft weit über der regionalen Nachfrage». Besonders gut eigne sich diese thermische Energie für grössere Quartiere, grosse Unternehmen oder für Industriegebiete. Gemäss Schätzungen der Eawag beträgt das Potenzial für die Wärmeextraktion der 25 grössten Schweizer Seen 97 TWh, jenes der 5 grössten Schweizer Flüssen 24 TWh.
Auch der Zürichsee soll künftig intensiver als Energiequelle genutzt werden. Eine Untersuchung der Eawag schätzt, dass das Potenzial der Kühlung rund 800 GWh pro Sommersaison beträgt. Für den Wärmeentzug zu Heizzwecken ergibt sich laut dem Eawag-Bericht «Potenzial zur Wärmeenergienutzung aus dem Zürichsee» eine maximale Nutzung von Wärmeenergie von 1’900 GWh pro Saison – das ist weit mehr als die zurzeit vorgesehene Nutzung. Die Seen und Flüsse der Schweiz könnten also in naher Zukunft zu einer signifikanten Quelle thermischer Energie werden.