Ein Grossteil der geschichtsträchtigen SBB-Werkstätten an der Zürcher Hohlstrasse wird heute nicht mehr bahnbetrieblich genutzt. Deshalb will die SBB das 42'000 m² grosse Areal zwischen Zürich Hauptbahnhof und Zürich Altstetten bis 2035 schrittweise in einen lebendigen Stadtraum transformieren und mit dem angrenzenden Quartier verbinden. Die ehemaligen SBB-Werkstätten sollen in den kommenden Jahren zu einem Ort für urbane Produktion, Kreativwirtschaft und Kultur werden und Innovationsbetriebe anziehen.
Die Weiterentwicklung des Areals erfolgt in enger Abstimmung mit der kantonalen und städtischen Denkmalpflege. Den Charakter der vorhandenen Strukturen, deren verbindendes Element die einheitliche Materialisierung mit gelben Backsteinfassaden ist, will die Bauherrschaft erhalten. Zwei der historischen Gebäude wurden in den vergangenen Jahren bereits saniert, weitere werden folgen. Herzstück des Areals ist die ehemalige Wagenwerkstätte «Gebäude Q», die voraussichtlich ab 2023 einen vielfältigen Nutzungsmix aus Manufakturen, Werkstätten und Ateliers unter einem gemeinsamen Dach vereinen wird.
«Die SBB will ab 2030 klimaneutral sein. Das klimakompatible Bauen ist ein wichtiger Baustein, um dieses Ziel zu erreichen», sagt Gabriele Bühler, Projektleiterin bei der SBB. So wird gemäss dem Masterplan Werkstadt Zürich eine nachhaltige Entwicklung mit der Strategie «Konsistenz, Effizienz und Suffizienz» konsequent verfolgt. In die Planung sind verschiedene Massnahmen des klimagerechten Bauens eingeflossen. Um die natürliche Durchlüftung des Areals auch künftig sicherzustellen, wird darauf geachtet, dass die Neubauten die kühlen Luftströmungen nicht blockieren. Wo möglich versickert das Dachwasser in einem oberirdischen System und dient auch der Kühlung. Versiegelte Flächen, welche die Hitzebildung und den Oberflächenabfluss begünstigen, sollen wo immer möglich entsiegelt werden. «Auch die Materialwahl erfolgt umsichtig, sodass eine übermässige Wärmeaufnahme respektive Wärmespeicherung möglichst vermieden wird», erklärt Gabriele Bühler. Bestehende kühle Orte werden erhalten, um weitere ergänzt und untereinander besser vernetzt. Eine klimaangepasste, artenreiche und heimische Vegetation dient nicht nur der Vermeidung von Hitzeinseln, sondern sorgt auch für eine hohe Aufenthaltsqualität. Bestehende Baumgruppen bleiben erhalten und neue Standorte werden angelegt, sodass die Nutzenden von zusätzlichen respektive aufgewerteten Freiräumen profitieren können. Lesen Sie dazu auch unser Whitepaper «Klimagerecht bauen».
Der Fokus der Transformation liegt zudem auf einem möglichst geringen Ressourcen- und Energieverbrauch. So haben die beteiligten Akteure gemeinsam eine Grundhaltung definiert, die nebst dem respektvollen Umgang mit dem historischen Bestand auch das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit, im Speziellen zur Kreislaufwirtschaft, enthält. Um dieses Versprechen einzulösen, folgt die Transformation einem systemischen Ansatz. Dieser betrachtet die Gebäude respektive das Areal über den gesamten Lebenszyklus, um den CO₂-Ausstoss von der Erstellung bis zum Betrieb und Rückbau so gering wie möglich zu halten. Auch stellt die Erfassung sämtlicher Gebäude respektive Bauteile auf der Madaster-Plattform die Zirkularität der verbauten Materialien sicher. Besonderes Augenmerk legen die Bauherrschaft und das für die Sanierung der Bestandsbauten zuständige Baubüro in situ auf die Wiederverwendung von Bauteilen. So kommen beispielsweise im 1911 errichteten, denkmalgeschützten Gebäude Q ausgediente Fahrleitungsmasten als Stahlgerüst zum Einsatz. Sie bilden eine 100 Meter lange Galerie und gliedern das Innere in drei Geschosse. Ebenso erhalten Stahltreppen, Gitterroste, Balken oder Leuchten ein zweites Leben.
Mit einer Energielösung, die zu 100% auf erneuerbaren Energien basiert, konnten wir die öffentliche Ausschreibung der SBB für uns entscheiden. Als Quelle für Wärme und Kälte dient Grundwasser, das in vier Brunnen auf dem Areal gefasst wird. Von dort gelangt das Wasser zu den Energiezentralen in den grösseren Gebäuden, wo sich Wärmepumpen und Kältemaschinen befinden, die es auf die erforderliche Temperatur bringen.
Ein Anergienetz verbindet sämtliche Gebäude und sorgt für einen Austausch von überschüssiger Energie zwischen den Gebäudegruppen. So lässt sich beispielsweise Wärme oder Kälte, die in einem Gebäude im Überfluss vorhanden ist, in einem anderen verwenden. Dieses System hat zudem den Vorteil, dass nicht in jedem Gebäude eine Grundwasserbohrung nötig ist. Die kleineren Gebäude sind über ein Nahwärmenetz an die Energiezentralen angeschlossen. Die Wärme- und Kälteerzeugung erfolgt zu 100% CO₂-frei, da auch der Reststrom aus erneuerbaren Quellen stammt. Dank des Einsatzes eines monovalenten Energiesystems führt dies im Endausbau zu einer CO₂-Reduktion von mehr als 2’100 Tonnen pro Jahr. ewz plant, finanziert, erstellt und betreibt zudem die Trafoanlagen sowie die Mittelspannungsleitungen zur Versorgung des Areals mit elektrischer Energie.
«Ein Teil des Stroms, den die Werkstädter*innen auf dem Areal verbrauchen, wird vor Ort mit Photovoltaik produziert», erklärt Markus Fischer, Leiter Verkauf bei ewz Energielösungen. Dafür wollen die SBB und ewz die Dachflächen optimal für die Solarstromproduktion nutzen. Sowohl das Dach des zentralen Gebäudes Q wie auch die Dächer anderer Gebäude, die sich aus statischer Sicht und von ihrer Ausrichtung her für die Solarstromgewinnung eignen, sollen mit Photovoltaikanlagen eingedeckt werden. Die SBB verpflichtet ihre Mietparteien auf dem Areal zur Teilnahme an einem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV). «Im Endausbau wird der ZEV aus rund 300 Parteien bestehen, die den lokal produzierten Strom vor Ort nutzen. Damit lässt sich eine hohe Eigenverbrauchsquote erzielen, die wesentlich zur Wirtschaftlichkeit der Photovoltaikanlagen beiträgt», sagt Markus Fischer. Er rechnet damit, dass der Eigenverbrauch auf dem Werkstadt-Areal im Endausbau bei nahezu 100% liegen wird.
Wir übernehmen bei der Energieversorgung des Werkstadt-Areals die Rolle eines Contractors. Damit ist der Energieversorger sowohl für die Planung der Energielösung als auch für deren Realisierung und den Betrieb während der Vertragsdauer von 45 Jahren zuständig. Für die Finanzierung kommen die SBB und ewz gemeinsam auf. Zum Dienstleistungsangebot gehört überdies eine individuelle, verbrauchsabhängige Abrechnung des Solarstroms im Rahmen des ZEV. Für die Eigentümerin hat diese Form der Zusammenarbeit unter anderem den Vorteil, dass die finanziellen Risiken und die Aufwände für die Verwaltung sehr tief sind. Fällt eine Anlage aus, sorgen wir von ewz dafür, dass sie schnellstmöglich wieder in Betrieb geht. Damit das System effizient betrieben werden kann, beginnen wir schon kurz nach der Inbetriebnahme mit einer energetischen Betriebsoptimierung. In einem kontinuierlichen Prozess werden die Anlagen optimiert und den effektiven Bedürfnissen der Nutzung angepasst, bis sie möglichst wenig Energie und Kosten verschlingen und ein Maximum an Komfort für die Nutzenden bieten. Die fossilfreie Energieversorgung entspricht nicht nur der Nachhaltigkeitsstrategie der SBB, sondern zahlt sich für die Eigentümerin sowie die Mietparteien auch wirtschaftlich aus.