Die Immobilienbranche steht in der Verantwortung, die Treibhausgasemissionen rasch und stark zu reduzieren. Dass dies heute bereits möglich ist, zeigt das überarbeitete ewz-Whitepaper «Netto-Null für Immobilien: eine Chance für zukunftsgerichtete Investitionen». Es dient Bauherrschaften und Investor*innen als Wissensgrundlage und Leitfaden.
Die Verbrennung fossiler Energien ist die Hauptursache für die Zunahme von Treibhausgasen (THG) in der Erdatmosphäre. Um die Klimaerwärmung zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen, müssen wir die THG-Emissionen schnellstmöglich auf netto null reduzieren. Das bedeutet, dass die menschlichen Aktivitäten unter dem Strich keinen Einfluss auf den Treibhausgasanteil in der Erdatmosphäre haben.
Wird ein Gebäude in Einklang mit dem Netto-Null-Ziel geplant, realisiert und betrieben, müssen alle direkten und indirekten Emissionen einbezogen werden. Ein vom Bund lanciertes Projekt unterscheidet zwischen einem Netto-Null-Gebäude und einem Netto-Null-ready-Gebäude. Ersteres weist ein Minimum an THG-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus auf und vermindert die verbleibenden Emissionen durch Negativemissionen – also Treibhausgase, die der Atmosphäre wieder entzogen und dauerhaft gespeichert werden. Demgegenüber sind beim Netto-Null-ready-Gebäude die Negativemissionen nur temporär gespeichert, können aber später in einen langfristigen Speicher überführt werden.
Als Hilfsmittel für Bauherrschaften und Planer*innen gibt es in der Schweiz seit Anfang 2025 die SIA-Norm 390/1, den sogenannten «Klimapfad». Er definiert, was Netto-Null bei Gebäuden in einer Lebenszyklusbetrachtung bedeutet. Für Nutzungskategorien wie zum Beispiel Wohnungen, Büros oder Schulen gibt es jeweils einen Basiszielwert sowie einen ambitionierten Zielwert für die THG-Emissionen aus Erstellung, Betrieb und Mobilität. Die Anforderungen sind hoch, aber mit den heutigen baulichen Möglichkeiten erreichbar.
Ein Gebäude verursacht bereits lange vor seiner Inbetriebnahme THG-Emissionen. Diese indirekten Emissionen entstammen der Herstellung der Baumaterialien sowie deren Transport auf die Baustelle. Besonders stark zu Buche schlagen Baustoffe wie Beton, Backstein oder Stahl, deren Herstellung bis heute mit teils hohen THG-Emissionen verbunden ist.
Während der Betriebsphase eines Gebäudes entstehen THG-Emissionen hauptsächlich durch die Energieversorgung (Heizen, Kühlen, Lüftung, Beleuchtung). Bei erneuerbaren Heizsystemen hat die Herkunft des verwendeten Stroms einen grossen Einfluss auf die THG-Emissionen. Schweizer Strom ist mit verhältnismässig tiefen THG-Emissionen verbunden, doch vor allem im Winterhalbjahr müssen wir oft Strom importieren, der aus fossilen Energieträgern erzeugt wird.
Auch ganz am Ende der Lebensdauer einer Immobilie verursachen der Rückbau und die Entsorgung respektive das Recycling der Baumaterialien nochmals THG-Emissionen. Im Vergleich zu den Erstellungs- und Betriebsemissionen ist ihr Anteil jedoch deutlich geringer.
Werden die Weichen durch geeignete Gebäudekonzepte, die Konstruktion, die Materialwahl und die Gebäudetechnik von Beginn weg richtig gestellt, lassen sich THG-Emissionen bereits heute markant senken. Bauherrschaften und Planer*innen sollten den Fokus dabei auf die folgenden Handlungsfelder legen.
Weil bei einer Sanierung grosse Teile der Bausubstanz wie beispielsweise Wände, Decken, Fundament und Dach erhalten bleiben, verursacht sie im Vergleich zu einem Ersatzneubau meist deutlich weniger THG-Emissionen. Allerdings eignet sich nicht jede Bausubstanz fürs Weiterbauen – eine projektspezifische Beurteilung ist unerlässlich.
Wie klimaverträglich ein Neubau ist, lässt sich mit dem architektonischen Konzept beeinflussen. Wichtige Aspekte sind etwa eine optimierte Geometrie, eine materialeffiziente Gebäudestruktur und die Wahl langlebiger, recyclingfähiger Materialien. Flexible und adaptierbare Grundrisse lassen im Verlauf des Gebäudelebens Nutzungsänderungen mit geringen Eingriffen in die Struktur zu.
Komplett emissionsfreie Baustoffe sind heute kaum zu finden, sehr wohl aber Baumaterialien mit vergleichsweise geringen THG-Emissionen. Dazu gehören unter anderem Baustoffe biogener Herkunft wie Holz, Dämmmaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen wie Stroh oder Zellulose, aber auch THG-optimierte Betonarten.
Kreislaufwirtschaft bedeutet, Ressourcen in einem Kreislauf zu führen, um Abfall und Umweltverschmutzung zu vermeiden. Einen wichtigen Beitrag leistet die Wiederverwendung von Bauteilen, die demontiert und andernorts wieder eingebaut werden (Re-Use). So lassen sich die THG-Emissionen für die Erstellung im Vergleich zum gleichen Gebäude mit neuen Bauteilen um 30 bis 50 Prozent reduzieren.
In Bestandsbauten sind noch immer oft Öl- oder Gasheizungen anzutreffen. Emissionsarme Alternativen sind Wärmepumpen, Holzheizungen sowie der Anschluss an ein Fernwärmenetz. Klimaneutralen Strom für den Betrieb der Gebäudetechnik oder auch das Aufladen von Elektroautos kann man mit einer eigenen Photovoltaikanlage erzeugen.
Wärmepumpen haben im Vergleich mit einem fossilen Heizsystem zwar teils höhere Anschaffungskosten, dafür fallen die Energiekosten in der Regel tiefer aus. Bei einer Lebenszyklusbetrachtung sind sie daher wirtschaftlich meist konkurrenzfähig. Auch Massnahmen zur Reduktion der THG-Emissionen in der Erstellung haben oft einen positiven Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit. Suffizienz beispielsweise führt zu Kostensenkungen, weil weniger Fläche verbaut und weniger Material verbraucht wird. Auch wer auf Holzbau setzt, baut meist günstiger, weil die Herstellung respektive Verarbeitung weniger energieintensiv ist und die Transportwege kürzer sind als bei anderen Baustoffen. Zudem steigt die Wettbewerbsfähigkeit von klimaoptimierten Baumaterialien. So ist zum Beispiel Recyclingbeton heute etwa gleich teuer wie konventioneller Beton oder teilweise sogar günstiger.
Dass klimaschonendes Bauen nicht nur auf dem Papier funktioniert, sondern sich auch in der Praxis umsetzen lässt, belegen verschiedene Beispiele. Beim Hobelwerk-Areal in Winterthur ersetzt man Beton durch Holzkonstruktionen und forciert das Wiederverwenden von Bauteilen. Beim Gebäude X auf dem Werkstadt-Areal in Zürich steht der konsequente Einsatz von Re-Use-Bauteilen im Fokus. Daneben trägt auch die Erneuerbare-Energie-Lösung von ewz zu einer Annäherung ans Netto-Null-Ziel bei. Ein drittes Beispiel ist der Hauptsitz von Sonova Communications in Murten. Das Gebäude kommt dank hochwertiger Dämmung und einer grossen thermischen Speichermasse ohne aktive Heizung und Kühlung aus und ist damit im Betrieb CO₂-neutral.
Die Immobilienbranche steht in der Verantwortung, die Treibhausgasemissionen rasch und stark zu reduzieren. Dass dies heute bereits möglich ist, zeigt das überarbeitete ewz-Whitepaper «Netto-Null für Immobilien: eine Chance für zukunftsgerichtete Investitionen». Es dient Bauherrschaften und Investor*innen als Wissensgrundlage und Leitfaden.