Seit 2015 wird auf dem Areal Greencity im Süden der Stadt Zürich gebaut. Das erste 2000-Watt-Areal der Schweiz bietet nachhaltigen Wohnraum für rund 2'000 Personen, 3'000 Arbeitsplätze, eine Schule, Läden und verschiedene Restaurants. Zudem ist das neue Quartier mit einer eigenen S-Bahn-Station erschlossen. Derzeit wird das Baufeld B6 (Vergé) geplant – die letzte Etappe von Greencity. Das von der Immobilienentwicklerin und Totalunternehmerin Losinger Marazzi entwickelte Gebäude Vergé liegt zwischen dem Wohn- und Businessbereich und soll voraussichtlich bis Anfang 2026 fertiggestellt werden. 179 altersgerechte Wohnungen sowie Büro- und Gewerbeflächen wird der achtgeschossige Neubau dereinst beherbergen, für den Losinger Marazzi das Gebäudelabel SNBS Gold anstrebt.
Hintergrundinformationen zum Thema Netto-Null finden Sie übrigens in einem neuen Whitepaper. Dieses zeigt, wie Unternehmen und Organisationen der Immobilienbranche ihre Treibhausgasemissionen bereits heute drastisch senken können, um das Ziel Netto-Null bis spätestens 2050 zu erreichen.
Beim Bau und Betrieb des Gebäudes sollen die Treibhausgasemissionen minimiert werden. Die Gründe für die Immobilienentwicklerin, Netto-Null möglichst nah zu kommen, sind vielfältig. «Neben der gesellschaftlichen Pflicht steht für uns das Thema Klimaresilienz im Mittelpunkt», erklärt Lennart Rogenhofer, Chief Climate Officer bei Losinger Marazzi. So wolle das Unternehmen Gebäude entwickeln und bauen, die den zukünftigen klimatischen Bedingungen und Gesetzgebungen angepasst seien. «Gleichzeitig entsteht daraus ein Mehrwert für Investor*innen, Nutzer*innen und die Gesellschaft», findet Rogenhofer.
Um dieses Ziel zu erreichen, kombiniert und untersucht Losinger Marazzi unterschiedliche Ansätze. Sämtliche Bauteile des Neubaus werden im Vorfeld auf ihre Effizienz und auf allfällig ökologischere Alternativen geprüft. Dabei nimmt die Immobilienentwicklerin insbesondere verschiedene Massnahmen zur Reduktion der grauen Energie unter die Lupe.
Ein wichtiger Hebel ist die Materialisierung der Innenwände. Erstellt man nichttragende Innenwände im Leichtbau statt in Beton, ergibt sich laut Rogenhofer eine CO₂-Reduktion von etwa 50%. In derselben Grössenordnung liegen die Einsparungen, wenn statt einer Beton-Putz-Fassade eine Holzfassade realisiert wird. Diese wird dem Anspruch gerecht, nachwachsende und wenig verarbeitete Rohstoffe einzusetzen. Ersetzt man die üblicherweise in Beton ausgeführten Innenwände im Untergeschoss durch Kalksandstein, hat dies eine CO₂-Einsparung von rund 40% zur Folge. Schwierig zu quantifizieren sind die eingesparten grauen Emissionen einer schlanken Tragstruktur, die durch eine Optimierung der Deckenstärken und Stützenraster die verbaute Betonmenge minimiert. «Das liegt daran, dass kein «nicht optimiertes» Projekt als Vergleich erstellt wurde», sagt Rogenhofer. Darüber hinaus hat sich die Immobilienentwicklerin und Totalunternehmerin ganz generell dazu entschieden, in seinen Projekten wenn immer möglich CO₂-reduzierten Beton einzusetzen.
Auch die Lüftungen wurden analysiert. Doch war die Umsetzung einer einfachen Abluftanlage, welche die Materialmenge reduziert, nicht möglich. Ebenfalls wirkungsvoll ist ein ausgewogener Fensteranteil, der die Nutzung von Tageslicht ermöglicht und die Wärmegewinne respektive -verluste im Winter optimiert.
Laut Rogenhofer will Losinger Marazzi die Resultate der Untersuchungen für das Baufeld B6 (Vergé) auch bei künftigen Projekten in Betracht ziehen: «Wir analysieren, welche Massnahmen aus unseren Pilotprojekten wie das Baufeld B6 (Vergé) als Standards für andere Gebäude dienen können.» Die umgesetzten wie auch die untersuchten Reduktionshebel fliessen deshalb in einen Massnahmenkatalog ein, der als Basis für alle zukünftigen Projekte gilt. Zudem wird Losinger Marazzi für alle Bauten ein CO₂-Ziel für Erstellung und Betrieb definieren.
Diese Massnahmen gehen Hand in Hand mit der Klimastrategie von Losinger Marazzi, die vorgibt, Emissionen im Rahmen der Science-Based-Targets-Initiative-Zertifizierung möglichst stark zu reduzieren. Bis 2030 will das Unternehmen seine direkten CO₂-Emissionen im Vergleich zu 2021 um 40% und die indirekten Emissionen (Erstellung und Betrieb der Projekte) um 30% senken. «Uns ist es besonders wichtig, dass wir einen wissenschaftlich basierten Ansatz zur Treibhausgasreduktion ohne Kompensationen verfolgen – dementsprechend ist «Netto-Null» derzeit nicht machbar», hält Rogenhofer fest. Nebst der Reduktion der CO₂-Emissionen definiert das Unternehmen messbare Firmenziele in den Bereichen Biodiversität und Kreislaufwirtschaft.
Das «Low Carbon»-Gebäude Vergé wird zudem in das zu 100% auf erneuerbaren Energien basierende Energiekonzept von Greencity eingebunden. Die integrierte Lösung für die Energieinfrastruktur beinhaltet die Versorgung des gesamten Areals mit Strom, Wärme und Kälte und wird von ewz geplant, finanziert, realisiert und betrieben. Primäre Energiequelle ist Grundwasser, das in Brunnen gefasst und über Wärmepumpen auf das erforderliche Temperaturniveau gebracht wird. Als sekundäre Energiequelle dient Erdwärme, die über zwei grosse Erdsondenfelder erschlossen ist. Ein separates Kältenetz kühlt im Sommer die Büros. Die überschüssige Wärme wird in den Sommermonaten im Erdreich gespeichert, um es zu regenerieren. Im Winter kann die Wärme wieder für die Wärmeversorgung genutzt werden. Auch der Strom stammt zu 100% aus erneuerbaren Quellen. Rund 20% davon produzieren die Photovoltaikanlagen vor Ort.
Seitdem 2017 die ersten Mieter*innen im Quartier Greencity eingezogen sind, konnte ewz laut Projektleiter David Füllemann wertvolle Erfahrungen sammeln, die nun in die Planung des letzten Gebäudes auf dem Areal integriert werden. So habe sich gezeigt, dass die Brauchwarmwasser-Wärmepumpen mit einer kleineren Leistung als ursprünglich geplant ausgelegt werden können. Während der Energieverbrauch für Warmwasser und Raumheizung in etwa den Prognosen entspricht, fällt der Kältebedarf deutlich tiefer aus. Ob dies mit der pandemiebedingten tieferen Belegung der Büros zusammenhängt, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Klar ist jedoch, dass dadurch die Regeneration der Erdwärmesonden nicht so stark wie erwartet ist. Auch wenn die Spitzenleistung für Heizung und Kälte meist tiefer war als prognostiziert, lohnt es sich laut Füllemann, die Systeme für Erdwärme- und Grundwassernutzung nicht zu knapp zu dimensionieren. Denn insbesondere bei der Kühlung braucht es durch die Klimaveränderungen und die steigenden Temperaturen etwas Spielraum für Anpassungen.
Ist das Baufeld B6 (Vergé) auf dem ehemaligen Sihlpapier-Areal dereinst fertiggestellt, können Losinger Marazzi sowie die Projektbeteiligten auf ein grosses Stück Pionierarbeit im klimagerechten Bauen in der Schweiz zurückblicken.